Mindset-Shift: Von Stress und Druck zu sportlicher Exzellenz

Inhalt

In der Welt des Spitzensports sind Stress und Druck allgegenwärtige Begleiter. Athleten stehen ständig unter dem Druck, ihre Leistung zu maximieren, Rekorde zu brechen und an der Spitze ihrer Disziplin zu bleiben. Doch was, wenn wir Dir sagen, dass genau dieser Stress und Druck – oft als Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg betrachtet – tatsächlich die Schlüssel zu noch nie dagewesenen sportlichen Höchstleistungen sein können? In diesem Blog «Mindset-Shift: Von Stress und Druck zu sportlicher Exzellenz» erforschen wir die transformative Kraft eines Paradigmenwechsels im Umgang mit Stress.

Am Start eines wichtigen Radrennens stehen Karin und Sofia. Beide spüren, wie der Druck steigt und ihre Herzen anfangen, schneller zu schlagen. Sie sind sich bewusst, dass das Rennen physisch und mental an ihre Grenzen bringen wird. Beide haben hart trainiert und sind ambitioniert, sich mit dem Rennen für die Meisterschaft zu qualifizieren.

Karin ist davon überzeugt, dass sie ihr Tempo zu finden wird und bereit ist, sich den Höhenmetern zu stellen. Selbstbewusst findet sie einen rhythmischen Tritt, kann ihre vorher festgelegte Wettkampfstrategie gekonnt umsetzen und mit unvorhergesehenen Ereignissen umgehen. Sie erreicht damit ihre persönliche Bestleistung.

Links neben Karin steht Sofia. Sie spürt, wie ihr Herzschlag ansteigt. Der Anblick des steilen Berges vor ihr macht sie nervös und erste Zweifel machen sich breit. Obwohl sie weiss, dass sie genau wie Karin vorbereitet ist. Sie glaubt jedoch, dass sie nicht in der Lage sein wird, ihr Tempo zu finden. Trotz enthusiastischem Start findet sie keinen Rhythmus. Sie kann ihren Plan nicht halten, lässt sich durch unvorhergesehene Ereignisse aus der Bahn werfen und beendet das Rennen weit unter ihrer Bestzeit.

In Anlehnung an das obige Beispiel taucht dieser Artikel nun in die Welt des Leistungssports ein. Er beleuchtet einzigartige Stressfaktoren, denen Athleten im Sport ausgesetzt sind und erkundet, wie sie diesen Stress nicht nur bewältigen, sondern auch in einen Motor für verbesserte sportliche Leistungen umwandeln können. Zugegeben: In einer Welt, in der Erfolg als Massstab für gesellschaftliche Anerkennung und persönlichen Wert steht, neigen wir häufig dazu, uns in einem ständigen Streben nach Perfektion zu verlieren – á la «Höher, Schneller, Weiter». Besonders Athleten bekommen diesen Druck in Form von Stress zu spüren (Mansell & Turner, 2023).

Karin und Sofia verdeutlichen uns, dass trotz einer gleichen Herausforderung, Stress nicht immer schädlich ist, sondern tatsächlich die Leistung und das damit verbundene Wohlbefinden fördern kann. Entdecke mit uns, wie Sportler Stress meistern und ihre sportliche Leistung auf ein neues Level heben können.

Zwischen Kopf und Körper: Die Psychophysiologie des Stresses

Um Stress zu meistern und die sportliche Leistung auf ein neues Level zu heben, müssen wir zunächst verstehen, was Stress konkret ist. Im Verständnis des Stresses spielen zwei grundlegende Aspekte eine entscheidende Rolle: einerseits die auf eigene Erfahrungen aufbauende Interpretation eines Ereignisses. Und andererseits die Reaktion unseres Körpers auf diese Deutung.

Stress-Interpretation

Stress ist nicht ein Gegenstand, der von aussen auf uns einwirkt, sondern eine subjektive (persönliche) Wahrnehmung und Interpretation von Ereignissen (Raper & Brough, 2021). Jeder Athlet bringt seine eigenen Erfahrungen, Überzeugungen und Bewertungen mit, die beeinflussen, wie er auf bestimmte Situationen reagiert. Ein Wettkampf, der für einen Athleten als aufregende und attraktive Herausforderung angesehen wird, kann für einen anderen als beängstigend und stressig wahrgenommen werden.

Diese individuelle Interpretation prägt nicht nur die emotionale Reaktion des Athleten auf den Wettkampf, sondern beeinflusst auch die mentale und körperliche Leistungsfähigkeit in Stresssituationen (Mansell & Turner, 2023). Doch was bestimmt, weshalb der eine Athlet einen Wettkampf als attraktiv und aufregend ansieht, und ein anderer eher als beängstigend und stressig?

Eine Situation wird dann als „stressig“ empfunden, wenn wir nicht glauben, dass wir genügend Ressourcen besitzen, um eine bestimmte Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Findet eine derartige Einschätzung statt, wird das Ereignis für uns zur Bedrohung. Die damit verbundenen psychischen Folgen lassen uns diejenigen Fähigkeiten verlieren, die wir gerade im Wettkampf benötigen: Bewegungsgenauigkeit und Bewegungsfluss nehmen ab und unser Denk- und Auffassungsvermögen leidet. Dadurch schätzen wir Spielsituationen falsch ein und machen leichtsinnige Fehler. Als Resultat kann dies einerseits am Selbstvertrauen des Athleten nagen. Andererseits kann es zu Überkompensationen führen. Dadurch kann man teilweise uncharakteristische Verhaltensweisen in Wettkämpfen beobachten, wie Albernheiten, Resignation oder übermässige Risikobereitschaft (Baumann, 2011).

Stress-Reaktion

Stressauslösende Reize, auch Stressoren genannt, wirken sich bei Menschen unterschiedlich aus. Die physiologischen Reaktionen des Körpers sind jedoch immer dieselben: Der Herzschlag beschleunigt sich, der Blutdruck steigt, die Muskeln spannen sich an und Stresshormone (z. B. Cortisol) werden ausgeschüttet (Hase et al., 2018).

Diese körperlichen Veränderungen haben sich evolutionär entwickelt und sind somit natürlich. Sie helfen uns, in herausfordernden Situationen unsere Leistungsfähigkeit zu erhöhen und möglichst fokussiert und voller Energie angemessen zu handeln (Baumann, 2011). Dieses Verhalten ist besonders im Sport relevant. Denn im Sport sind Stresssituationen oft unvermeidlich – sei es in der Vorbereitung auf einen wichtigen Wettkampf oder während einer entscheidenden Phase im Spiel.

Stress ist also eine ganz natürliche körperliche Reaktion, die aufweckt und leistungsbereit macht. Eine geeignete Stressbewältigung, welche die gesteigerte Aktivierung als förderlich ansieht, hilft Sportlern dabei, ihre Leistung zu verbessern (Jamieson et al., 2012).

Erst wenn Stress zu einem Dauerzustand wird, kommt es zu negativen Begleiterscheinungen (McLoughlin et al., 2021). Wir blenden etwa im Stresszustand Hungergefühle aus, obwohl wir gerade dann wichtige Nährstoffe bräuchten. Zusätzlich verbraucht ein dauernder Erregungszustand unnötig viel Energie, die uns dann in entscheidenden Momenten fehlt (Baumann, 2011).

Was bestimmt demnach, wie wir ein Ereignis interpretieren? Das, und wie Athleten ihr Verständnis von Stress vorteilhaft verändern, beleuchten wir im nächsten Abschnitt.

Stress-Mindset: Ein «Shift» im Denken

“STRESS-IST-HEMMEND”-MINDSET VS. “STRESS-IST-FÖRDERND”-MINDSET

Das Konzept des Stress-Mindsets basiert auf der Erkenntnis, dass die individuelle mentale Struktur einer Person deren Empfinden und Umgang mit Stress beeinflusst (Crum et al., 2017). Diese Einsicht bietet Athleten die Chance, ihr persönliches Stress-Mindset bewusst anzupassen, was positive Auswirkungen auf ihre sportliche Leistung und ihr mentales Wohlbefinden haben kann.

Unser Stress-Mindset bestimmt, wie wir Stress interpretieren und bewerten. Das spielt eine entscheidende Rolle in der Formung unserer gedanklichen (kognitiven), emotionalen und physiologischen Reaktionen gegenüber herausfordernden und bedrohlichen Stresssituationen.

Die Wissenschaftlerin Alia J. Crum hat mit ihrem Forschungsteam herausgefunden, dass individuelle Überzeugungen und Einstellungen gegenüber Stress bedeutende Auswirkungen auf die Bewältigung von stressigen Situationen haben können. Ihr Forschungsansatz zeigt, dass Menschen mit einem sogenannten «Stress-ist-hemmend»-Mindset Stress als bedrohlich und negativ interpretieren. Dies führt zu verstärkten negativen Auswirkungen auf unsere Leistungen (ebd, 2017).

Im Gegensatz dazu tendieren Menschen mit einem «Stress-ist-fördernd»-Mindset dazu, Stress als positive Herausforderung zu sehen. Diese positive Grundhaltung gegenüber Stress kann dazu beitragen, die kognitive Leistungsfähigkeit zu steigern, die emotionale Widerstandsfähigkeit (Resilienz) zu fördern und die körperliche Stressreaktion positiv zu beeinflussen (ebd, 2017).

Keech und seine Kollegen (2019) fanden in ihrer experimentellen Studie heraus, dass man mit einer proaktiven Herangehensweise (selbstbestimmt) sein Stress-Mindset ändern kann. Die Auswirkungen dieser Erkenntnis ist für die Sportwelt enorm. Athleten, die sich so ihrer eigenen Einstellung gegenüber Stress bewusst sind und sich aktiv in ein «Stress-ist-fördend»-Mindset bringen, haben die Möglichkeit, ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen und gleichzeitig ihre psychische Gesundheit zu fördern.

Wie Du dies erreichst und mit drei weiteren nützliche Übungen Deinen Umgang mit Stress verbessern kannst, erfährst Du in unserem Artikel »Das Stress Playbook: Taktiken für mentale Stärke im Sport«.

Resümée

Wir sind in diesem Artikel quer durch die Tiefen des Stress-Mindsets und deren Auswirkungen auf sportliche Leistungsfähigkeit und mentale Gesundheit im Sport gereist. Egal, ob als Trainer, der seine Athleten auf mentale Herausforderungen vorbereiten will, oder als Athlet, der nach Wegen sucht, besser mit Stress umzugehen, dieser Artikel soll Dir zeigen, dass Stress nicht gleich Stress ist und Du ihn sogar für Dich nutzen kannst.

Im Abschnitt zur Psychophysiologie des Stresses haben wir erfahren, dass unsere körperliche Reaktion auf Stressoren evolutionär bedingt ist und uns hilft, unsere Leistungsfähigkeit für eine besonders herausfordernde Aufgabe zu steigern. Ausserdem hängt unsere individuelle emotionale Reaktion auf eine Stresssituation davon ab, wie wir diese einschätzen und bewerten. Dies nennt man Stress-Mindset.

Aktuelle Studien zeigen uns, dass wir durch entsprechende Strategien unsere Denkmuster umstrukturieren können. Somit können wir aktiv beeinflussen, ob wir Stress als hemmend oder fördernd wahrnehmen, was sich positiv auf unsere Leistung auswirken kann.

Zusammenfassend verdeutlicht der Artikel, dass ein bewusster Umgang mit Stress durch die Anpassung des Stress-Mindsets essenziell ist, um Stress im Sport nicht nur zu bewältigen, sondern als naturgegebene Unterstützung für sportlichen Erfolg zu nutzen.

 

Referenzen

  • Baumann, S. (2011). Psyche in Form: Sportpsychologie auf einen Blick. Meyer & Meyer.
  • Crum, A. J., Akinola, M., Martin, A., & Fath, S. (2017). The role of stress mindset in shaping cognitive, emotional, and physiological responses to challenging and threatening stress. Anxiety, Stress, & Coping, 30(4), 379-395. https://doi.org/10.1080/10615806.2016.1275585
  • Hase, A., O’Brien, J., Moore, L., & Freeman, P. (2018). The Relationship Between Challenge and Threat States and Performance: A Systematic Review. Sport, Exercise, and Performance Psychology, 8(2), 123-144. https://doi.org/10.1037/spy0000132
  • Jamieson, J. P., Nock, M. K., & Mendes, W. B. (2012). Mind over matter: Reappraising arousal improves cardiovascular and cognitive responses to stress. Journal of Experimental Psychology: General, 141(3), 417-422. https://doi.org/10.1037/a0025719
  • Keech, J. J., Hagger, M. S., & Hamilton, K. (2019). Changing stress mindsets with a novel imagery intervention: A randomized controlled trial. Emotion, 21(1), 123-136. https://doi.org/10.1037/emo0000678
  • Mansell, P. C., & Turner, M. J. (2023). The mediating role of proactive coping in the relationships between stress mindset, challenge appraisal tendencies, and psychological wellbeing. Frontiers in Psychology, 14. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2023.1140790
  • McLoughlin, E., Arnold, R., Fletcher, D., Spahr, C. M., Slavich, G. M., & Moore, L. J. (2021). Assessing lifetime stressor exposure in sport performers: Associations with trait stress appraisals, health, well-being, and performance. Psychology of Sport and Exercise, 58. https://doi.org/10.1016/j.psychsport.2021.102078
  • Raper, M. J., & Brough, P. (2021). Seeing into the future: The role of future-oriented coping and daily stress appraisal in relation to a future stressor. Stress & Health, 37(1), 186-197. https://doi.org/10.1002/smi.2984